Digitalisierung im ukrainischen Bildungssystem: Bereitschaft, Technologien, KI und Herausforderungen

In der heutigen Welt ist die Digitalisierung nicht mehr nur ein Trend, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung, insbesondere im Bildungsbereich. Von Hochschulen wird nicht nur aktuelles Wissen erwartet, sondern auch die Fähigkeit, einen flexiblen, interaktiven und technologisch gut ausgestatteten Bildungsprozess zu organisieren.

Aber wie realistisch ist solche Transformation für ukrainische Hochschulen und berufsbildende Einrichtungen?  

Um diese Frage zu beantworten, haben wir eine Umfrage unter mehr als 60 Bildungseinrichtungen in der Ukraine durchgeführt. Das Hauptziel war es, Daten über den Stand der Bereitschaft zur digitalen Transformation, die vorhandenen Instrumente, den Grad der Nutzung künstlicher Intelligenz sowie die wichtigsten Hindernisse für die Einführung digitaler Lösungen zu sammeln.  

Es ist anzumerken, dass sich speziell Einrichtungen der Hochschul- und Fachhochschulbildung an der Studie beteiligt haben: Universitäten, Akademien, Hochschulen und Institute. Die Umfrage umfasste keine allgemeinbildenden Schulen, Lyzeen oder Gymnasien, da sich die Bedingungen und der Umfang der Digitalisierung dort erheblich unterscheiden. 


Bereitschaft zur digitalen Transformation 

Laut den Ergebnissen der Umfrage unter mehr als 60 ukrainischen Bildungseinrichtungen (die Mehrheit der Befragten) schätzen ihre Einrichtung als teilweise bereit für die digitale Transformation ein. Diese Antwortoption wählte etwa die Hälfte der Befragten. Nur 19 % gaben keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Die übrigen Befragten gaben an, dass ihre Einrichtungen vollständig für die digitale Transformation bereit sind (28 %). 

Den größten Anteil machen diejenigen aus, die „teilweise bereit” für Veränderungen sind, während der Anteil derjenigen, die „vollständig bereit” sind, sowie der „Unentschlossenen” deutlich geringer ist. Dieses Profil entspricht den Erwartungen für eine Branche, die sich in einem Prozess des aktiven Lernens und der Anpassung an digitale Innovationen befindet. 


Verbreitete digitale Instrumente 

Digitale Instrumente sind bereits zu einem festen Bestandteil des Alltags in Bildungseinrichtungen geworden. Praktisch alle Befragten nutzen grundlegende Plattformen für die Online-Kommunikation und den Online-Unterricht. Am weitesten verbreitet sind Fernunterrichtssysteme (LMS – Learning Management System) und Videokonferenzsysteme. Insbesondere haben viele Einrichtungen LMS (zu den beliebtesten gehört Moodle) eingeführt, mit denen der Lernprozess online gesteuert werden kann. Videokonferenzen über Zoom, Google Meet oder ähnliche Plattformen sind zu einem gängigen Instrument für Vorlesungen, Besprechungen und Verteidigungen geworden und werden von fast allen Einrichtungen genutzt.  

Auch Cloud-Lösungen für die Zusammenarbeit und Datenspeicherung sind weit verbreitet. Die meisten Universitäten nutzen Dienste wie Google Drive, Microsoft 365 oder ähnliche Dienste für die gemeinsame Arbeit an Dokumenten und die Speicherung von Informationen. ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) und elektronische Dokumentenmanagementsysteme sind hingegen noch nicht so weit verbreitet. Nur wenige große Einrichtungen haben vollwertige ERP-Lösungen oder interne Informationssysteme wie „Dekanat” eingeführt. Etwa ein Drittel der Befragten gibt an, über ein elektronisches Dokumentenmanagement oder ein ERP-System zu verfügen, während die anderen noch ohne auskommen oder sich in der Einführungsphase befinden.




Einsatz von KI im Bildungsprozess 

Künstliche Intelligenz (KI) hält gerade erst Einzug in die Praxis ukrainischer Hochschulen, stößt jedoch bereits auf großes Interesse. Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist mit modernen KI-Lösungen vertraut, allen voran ChatGPT. Dieses Tool zur Textgenerierung wurde in den Antworten am häufigsten genannt. Neben ChatGPT nannten einige Umfrageteilnehmer auch andere KI-Produkte, generative Bildmodelle wie MidJourney und teilweise auch andere Dienste (z. B. Anthropic Claude oder experimentelle Entwicklungen von Google). Dies zeigt, dass fortschrittliche Lehrkräfte und IT-Fachleute im Bildungsbereich die Entwicklung neuer KI-Tools aktiv verfolgen.


Die tatsächliche Einführung künstlicher Intelligenz ist jedoch recht weit verbreitet. Rund 83 % der Einrichtungen gaben an, kostenlose KI-Tools in ihrer Bildungs- oder Verwaltungstätigkeit zu nutzen, 3 % nutzen kostenpflichtige Tools. Beispielsweise wird mit ChatGPT experimentiert, um Materialien vorzubereiten oder Routineaufgaben zu automatisieren. Etwa 9 % der Befragten planen eine Einführung, wissen aber nicht, wie sie dies bewerkstelligen sollen. Gleichzeitig geben 5 % der Einrichtungen zu, dass sie derzeit keine KI-Tools einsetzen, oft aufgrund mangelnder Fachkenntnisse oder eines fehlenden Verständnisses dafür, wie KI in den Bildungsprozess integriert werden kann. 


Die wichtigsten Hindernisse für die Einführung 
Die befragten Bildungseinrichtungen sind sich ziemlich einig, was die Hindernisse für die digitale Transformation angeht. Am häufigsten werden Faktoren genannt, die mit Ressourcen und der Ausbildung des Personals zusammenhängen.
  • Mangelnde Finanzierung ist das größte Hindernis, das die meisten Befragten nennen. Begrenzte Budgets verlangsamen die Anschaffung moderner Technik, Software und Lizenzen für professionelle Plattformen. Der Mangel an Geld zwingt die Einrichtungen, nach kostenlosen oder selbstgemachten Lösungen zu suchen, die nicht immer den Anforderungen entsprechen. 
  • Veraltete materielle und technische Ausstattung: Viele Einrichtungen benötigen eine Modernisierung ihrer Ausrüstung und Infrastruktur. Der Mangel an modernen technischen Ressourcen (Computer, Netzwerkausrüstung, Server usw.) wurde als erhebliches Hindernis genannt. Dementsprechend steht die Anschaffung oder Modernisierung von Technik fast überall auf der Tagesordnung.  
  • Mangel an IT-Kompetenzen und Bedarf an Personalschulungen. Viele Befragte wiesen auf einen Mangel an qualifiziertem Personal oder unzureichende digitale Kompetenzen der Mitarbeiter hin. Lehrkräften und Verwaltungsangestellten fehlen oft die Fähigkeiten, um neue Systeme effektiv zu nutzen, weshalb umfangreiche Schulungen und Weiterbildungen erforderlich sind. Ohne Investitionen in die Entwicklung digitaler Kompetenzen können selbst vorhandene Instrumente ungenutzt bleiben. 
  • Widerstand gegen Veränderungen und Unterstützung durch die Führung. Auch kulturelle und organisatorische Hindernisse spielen eine Rolle. Einige Befragte stellten Widerstand gegen die Einführung von Veränderungen in Teilen des Teams fest; beispielsweise zögern einzelne Lehrkräfte, neue Technologien zu übernehmen, oder zweifeln an deren Wirksamkeit. Ein wichtiger Faktor ist auch die Unterstützung durch die Führungsebene: Wenn die Verwaltung der Einrichtung keinen klaren Willen zur Digitalisierung hat oder keine entsprechende Strategie entwickelt, wird der Umsetzungsprozess verzögert. 
  • Fehlen einer ganzheitlichen Strategie. Die Befragten wiesen gesondert darauf hin, dass es an einer langfristigen Planung der digitalen Transformation mangelt. Viele Maßnahmen werden punktuell und ohne Gesamtplan umgesetzt, was die Effizienz mindert. Die Entwicklung einer strategischen Vision für die Entwicklung digitaler Technologien in der Einrichtung ist eine weitere Herausforderung, mit der die Einrichtungen konfrontiert sind.



Unterschiede und Modelle der Digitalisierung  

Die Analyse der Antworten zeigt einige interessante Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen von Befragten und Einrichtungen. 

Nach Personalkategorien. Wissenschaftliche und pädagogische Mitarbeiter (Dozenten) bewerten die digitale Bereitschaft ihrer Einrichtungen etwas kritischer und wählen häufiger die Option „teilweise bereit”. Sie betonen auch die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung: vom Mangel an geschultem Personal bis hin zu technischen Problemen in den Hörsälen. Vertreter der Verwaltung hingegen neigen eher dazu, strategische Aspekte hervorzuheben. In ihren Antworten wird häufiger auf die Notwendigkeit von Finanzierung, Unterstützung durch die Führungsebene und die Entwicklung einer gemeinsamen Entwicklungsstrategie hingewiesen. Gleichzeitig zeigt die Verwaltung manchmal mehr Optimismus hinsichtlich der vollständigen Bereitschaft: Einige Führungskräfte sind der Meinung, dass die grundlegenden Voraussetzungen für die Digitalisierung bereits geschaffen sind (Infrastruktur, Politik) und die Einrichtung fast bereit für die Transformation ist. Diese unterschiedliche Wahrnehmung unterstreicht die Bedeutung der internen Kommunikation: Eine erfolgreiche Digitalisierung erfordert, dass sowohl die Leitung als auch die Lehrkräfte die Ziele und Probleme des Prozesses gleichermaßen verstehen. 

Nach Art der Einrichtung. Die Antworten zeigen, dass das Profil und die Größe der Universität Einfluss auf die Art der digitalen Transformation haben. Große nationale Universitäten und technische Einrichtungen verfolgen in der Regel einen komplexeren Ansatz. Sie führen häufiger eigene IT-Systeme ein (z. B. Unternehmensportale, ERP für das Ressourcenmanagement, spezialisierte Lernplattformen) und verfügen über eine besser ausgebaute IT-Infrastruktur. In solchen Einrichtungen gibt es Fälle, in denen die Bereitschaft vollständig oder fast vollständig gegeben ist: Die Digitalisierung wird als strategische Priorität angesehen und es werden erhebliche Mittel investiert. 

Kleinere oder geisteswissenschaftliche Bildungseinrichtungen verfolgen meist den Weg der fragmentierten Digitalisierung. Sie setzen auf fertige (oft kostenlose) Lösungen: Sie nutzen Standard-LMS und Cloud-Dienste, entwickeln aber selten etwas Eigenes. Digitale Innovationen werden als Reaktion auf dringende Bedürfnisse eingeführt (z. B. Fernunterricht während der Pandemie), aber es fehlt ein einheitliches System, das alle Prozesse zusammenführt. Die Bereitschaft dieser Einrichtungen wird als teilweise eingeschätzt; ihnen fehlen sowohl die Ressourcen als auch das Personal, um den Sprung zur vollständigen digitalen Transformation zu schaffen. 

  
Typische Modelle der Digitalisierung 
Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede lassen sich mehrere Modelltypen unterscheiden:  
  • Vorreiter der digitalen Transformation: große Universitäten oder Institute, die vollständig bereit oder kurz davor sind. Sie haben ein breites Spektrum an Lösungen eingeführt: von LMS und Videokonferenzen bis hin zu ERP und DMS; es gibt Unterstützung durch die Geschäftsleitung und eine IT-Entwicklungsstrategie. Es gibt nur wenige solcher Einrichtungen, aber sie geben die Richtung für die gesamte Branche vor. 
  • Pragmatische Experimentatoren: Die meisten Befragten gehören zu dieser Gruppe. Sie sind teilweise digitalisiert: Sie nutzen aktiv einzelne Tools (vor allem für Lehre und Kommunikation), probieren ständig neue Plattformen aus, aber ihr Ansatz bleibt punktuell. Diese Einrichtungen sind sich der Bedeutung des digitalen Wandels bewusst und beseitigen derzeit die wichtigsten Hindernisse (Modernisierung der Technik, Schulung des Personals, Entwicklung von Plänen). Genau diese Gruppe bildet den Kern der aktuellen digitalen Transformation in der Ukraine.
  • Aufholer: Einrichtungen, die sich derzeit noch in der Anfangsphase der Digitalisierung befinden. Sie nutzen nur die minimal notwendigen Technologien, oft aus der Not heraus (z. B. nur Videokonferenzen für Online-Unterricht), und haben keine ganzheitliche Strategie. Die Hindernisse sind für sie besonders spürbar: Es mangelt kritisch an Finanzmitteln, Ausrüstung und manchmal auch am Verständnis eines Teils des Personals. Für den Übergang auf eine neue Ebene benötigen sie zusätzliche Unterstützung und Ressourcen.

 
Insgesamt zeigt die Umfrage, dass sich der ukrainische Bildungssektor zwar uneinheitlich, aber dennoch sicher in Richtung einer digitalen Transformation bewegt. Die meisten Einrichtungen haben bereits grundlegende digitale Instrumente eingeführt und sind sich ihrer Schwachstellen bewusst. Die wichtigsten Aufgaben für die nahe Zukunft sind weiterhin die Überwindung von Ressourcenengpässen, die Vorbereitung des Personals auf die Arbeit mit neuen Technologien und die Entwicklung einer einheitlichen Strategie für die digitale Entwicklung. Angesichts des raschen Fortschritts (insbesondere im Bereich der KI) und der gesammelten Erfahrungen der führenden Akteure ist zu erwarten, dass der Rückstand der „Aufholer” allmählich abgebaut wird und das allgemeine Niveau der digitalen Bereitschaft der ukrainischen Bildungseinrichtungen stetig zunimmt. 

BDO in der Ukraine hat ein Webinar für Vertreter von Hochschuleinrichtungen zum Thema „Einsatz künstlicher Intelligenz zur zur Leistungsoptimierung in Bildungseinrichtungen” durchgeführt. Während der Veranstaltung wurden praktische KI-Tools diskutiert, insbesondere für die Automatisierung von Übersetzungen, die Erstellung von Präsentationen sowie den Aufbau einer sicheren digitalen Umgebung. Besonderes Augenmerk wurde auf die Rolle von Microsoft bei der Bereitstellung der technologischen Grundlage für die digitale Transformation im Bildungswesen gelegt.  

Hochschuleinrichtungen, die eine effektive Umsetzung der digitalen Transformation anstreben, empfehlen wir, sich für professionelle Unterstützung an das Team von BDO in der Ukraine zu wenden. 

Die Experten von BDO Ukraine unterstützen Sie bei der Implementierung moderner Lösungen auf Basis von Microsoft, einschließlich künstlicher Intelligenz-Tools, die an die Bedürfnisse Ihrer Einrichtung angepasst sind, und begleiten Sie in allen Phasen der digitalen Transformation. 

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